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die schreibmaschine und der feminismus

wie der K neulich beim essen zum stichwort kittler "die schreibmaschine hat den feminismus erfunden" aus der pistole geschossen hat, die argumentation aber nicht erklären konnte, hat mich nicht mehr losgelassen. nach intensiven recherchen weiß ich nun wie das in etwa zu verstehen ist (so ähnlich hab ichs mir eh vorgestellt): durch die schreibmaschine, eine medientechnische neuerung die vor allem von den sekretärinnen benutzt und beherrscht wurde, hatten frauen erstmals einen medientechnischen vorsprung gegenüber den diktierenden männern. und kittler geht davon aus dass die beherrschung einer medientechnik auch einen machtvorsprung bedeutet, weshalb die schreibmaschine die geburtsstunde des feminismus einläutet. so in etwa stark vereinfacht.

wahrscheinlich hat sich der K das deshalb gemerkt, weil er als programmierer die aktuelle medientechnik beherrscht, das hat ihm getaugt.

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Vorne ist immer Platz

du hast recht das hat mir getaugt, oschtija.
Und weil wir gerade am klugscheissern sein:
da gibst einen neuen Film der heisst: "wer früher stirbt ist länger tot". Stimmt doch gar nicht. Zumindest unter der Annahme die Zeit sei unendlich, sind alle gleich lang Tod, nämlich unendlich. David Hilbert hat das bewiesen. Arno zweifelt diese Tatsache aber offen an. Und dabei haben wir den letzten Absatzt noch gar nicht ausdiskutiert: "Es dürfen keine Zigarren in das Hotel mitgebracht werden. Trotzdem hat jeder Gast des voll belegten Hotels eine Zigarre. Woher kamen die dann? [...]"

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fortsetzung klugscheißen: felice bauer, eine der verlobten von kafka, war auch so eine medientechnisch fortschrittliche frau. die hat aber nicht maschinegeschrieben, sondern parlographen (vorläufer vom diktiergerät) vertrieben. ein ebenso bedeutendes gerät für die emanzipierung wie die schreibmaschine, möchte ich behaupten.

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wiesou sell?

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was fuer ein quatsch. kann mir jemand erklaeren, was der grosse medientechnische vorteil am schreibmaschine schreiben sein soll? der vorteil war vielleicht der, dass sekretaerinnen lesen und schreiben konnten. das tippen bringt dann nicht viel mehr an informationsaustauschmoeglichkeiten. es sei denn, sie haben die informationen ausgenutzt, die ihnen ihr chef diktiert hat.

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ich denke das beherrschen einer medientechnik ist ein bißchen so zu verstehen wie das eigentum an produktionsmitteln im kapitalismus. die fähigkeit schreibmachinell zu schreiben gibt dir die macht selbst kommunizierend aktiv zu werden und damals waren schreibmaschinengeschriebene texte halt state of the art (und der scheffe war selber nicht imstande die zu verfassen), irgendwann hat dann die kopiermaschine den punk ermöglicht und heute muss ich tolle homepages machen können auf die jeder schaut um mein netzwerk zu stärken. natürlich ist das nicht 100% plausibel, aber ein bißchen was ist schon dran finde ich.

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aber das ist ja genau der unterschied, zwischen sekretärin und diy-ermächtigung: die sekretärin hat keinerlei anteil an den produktionsmitteln, denn sie bedient sie nur, mit betonung auf dem dienenden, rein reproduktiven aspekt ihrer arbeit. im punk wurden sich die produktions- und kommunikationsmittel für die eigenen zwecke und inhalte angeeignet und mit ihrer hilfe die "botschaften" gesendet. natürlich hätten sich die sekretärinnen in der ersten hälfte des jahrhunderts ihre neue kulturtechnik auch zum senden zunutze machen können, allein hätte es an vervielfältigungs- und vertriebswegen gefehlt, und die sind ja essenziell. und vermutlich auch am luxus der bewusstwerdung der eigenen situation.

und nur als fußnote zu kittler ein interviewzitat, das ihn, zumindest vom sprachduktus her, nicht als großen freund und kenner von feminismen ausweist:

"Aber Cyborgs zum Beispiel, ein ganzes Jahrzehnt lang ist man doch Judith Butler oder Donna Haraway, oder wie die Damen hießen, so vollkommen auf den Leim gegangen, oder eben William Gibson mit seinem Newromancer und den nachfolgenden Romanen, ohne das sich irgendein Mensch die Frage gestellt hätte, ob denn im Mainstream der Hardwareentwicklungstechnik das auch der Mainstream ist. Meines Erachtens überhaupt nicht."

in dem interview wird auch noch allerhand weiterer fröhlicher unsinn verzapft, z.b., dass nur ein "echt" programmiertes "medienkunstwerk" anerkennung verdient. html = scheiße, c = guuut.

www.heise.de

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hmm, eine schöne theorie ist es ja, aber historisch in bezug auf den feminismus sicherlich nicht ganz akkurat, denn die "frauenrechtlerinnen" der ersten welle des feminismus kamen selbst meist aus bürgerlichen bis adeligen zusammenhängen und waren daher nicht gezwungen, ihren eigenen lebensunterhalt zu verdienen. so beschäftigte olympe de gouges, die 1791 die "erklärung der rechte der frau und bürgerin" verfasste (und zwei jahre später übrigens hingerichtet wurde) stets selbst sekretäre, die ihre texte aufschrieben, da sie keine formale schulbildung hatte und zudem als südfranzösin okzitanisch ihre muttersprache war.

die suffragetten, die sich wenig später für das wahlrecht der frauen einsetzen, stammten auch fast alle aus dem bürgertum und mussten sich deswegen auch nicht selbst ihren lebensunterhalt durchs tippen verdienen - zumal schreibmaschinen ja auch erst ab der zweiten hälfte des 19. jahrhunderts serienmäßig gefertigt wurden.
sicherlich trug die schreibmaschine zur emanzipation der frauen bei, aus den genannten gründen, viel geholfen hat es den sekretärinnen in den dienenden typischen "frauenberufen" aber bis heute nicht. es ist ja bekannt, dass gerade diese geschlechtsstereotyp besetzten "pink collar jobs" per se schlechter bezahlt werden und keinerlei aufstiegschancen bieten, trotz des "medientechnischen vorsprungs". auch heute noch ist der gehalts-euro des mannes in deutschland bei der frau nur 77 cent wert, wie ich gerade unlängst gelesen habe.

außerdem geht es in hegemonialen wirtschaftsstrukturen doch gar nicht darum, wer welche kommunikationstechnik selbst beherrscht, sondern nur darum, wer sie sich wie zunutze machen kann - und das hängt eben mehr von der machtposition denn vom basistechnischen kommunikations-know-how ab (firmenchefs haben selten ahnung von den genauen skills ihrer mitarbeiterInnen, aber trotzdem die komplette entscheidungsgewalt). solange power immer noch bedeutet "making them jump" (frei nach tom wolfe), sehe ich da innerhalb des systems kein wirkliches befreiungspotenzial.

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die kritik an kittlers technikdeterminismus klingt einleuchtend, ausser es gibt wirklich evidenz das genügend feminismus theoretikerinnen, auch sekretärinnen waren. Die medientechnik muss ja dahingehend genutzt werden, dass die maschinentypistinen sowohl ihre erlernte zehn finger technik als auch ihre schriftstellerischen fähigkeiten nutzten um feministische texte zu produzieren. falls es dafür keine belege gibt dann liegt kittler falsch, und ist wahrscheinlich auch unwissenschaftlich in seiner aussage. a wuchtl, so zu sagen. also ich wünschte mir der kittler könnte seine aussage hinreichend begründen. kann ihn wer fragen? ;-) Einige Zahlen über die Berufsgruppe: www.zeit.de

Hach bin gerade draufgekommen dass Kittler in seiner Habilitationsschrift darüber geschriebn hat was es bedeutet das Nietsche sich eine schreibmaschine zugelegt hat. Ziemlich schreibmaschinenfixiert der typ

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und weil ich gerade krank alleine zuhause bin, während sich arno mit dem background-kollegen den herbstabend schöntrinkt: hier noch was zu einem anderen gesprächsthema von unserem so erhellenden wie vernebelnden schönen essensabend bei den ragazzi. und zwar ging es ja um die frage, ob kapitalismus jemals als soziale utopie geführt worden sei, was ich vehement bestritten habe. da wurde der begründer der nationalökonomie, adam smith, ins feld geführt. in "wealth of nations" heißt es:

"Der Wohlstand eines Staates steigt also mit der (arbeitsfähigen) Einwohnerzahl. Um den Faktor Arbeit zu vermehren, muss die Nachfrage nach Arbeit (und damit die Lohnhöhe) so weit steigen, dass die unteren Schichten mehr Kinder aufziehen können. Steigt der Lohn über die zur Aufzucht ausreichender Arbeitskräfte nötige Höhe, so wird ihn die übermäßige Vermehrung bald wieder auf die nötige Höhe herabdrücken. Dies funktioniert auch umgekehrt: Vermehrt sich die „Spezies Mensch“ zu stark, so wird ihr durch Nahrungsmittelknappheit eine Grenze gesetzt. Dies geschieht dadurch, dass die meisten der in den fruchtbaren Familien der unteren Schichten geborenen Kinder sterben."

jaja, die unsichtbare hand. klingt für mich ziemlich pragmatisch-dystopisch.

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noch mal zu schreibmaschine und feminismus: viele der frühen frauenrechtlerinnen waren in lehrberufen tätig bzw. gründeten mädchenschulen. so war der inhalt, also die bildung, essenziell für das self-empowerment, und nicht so sehr die form, die technik der aneignung, also ob getippe oder nicht. würde ich behaupten.

was ich am sonntag aber auch sagte und immer noch denke, ist, dass man diese markige kommunikationstechnik-theorie schon eher auf die produktion von diy-medien (selbstgemachte fanzines, flyer, plakate) anwenden könnte, also z.b.: die kopiermaschine ist die geburtsstunde des punk.

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naja ist des eine analyse wie das im18.Jh in den westlichen nationen funktioniert hat oder ist es der wunsch des autors? Ich habe ja sowohl Marx als auch eine Smith Einführung in meinem Bücherregal und darin steht zu dem Kapitel aus dem der Wikipedia Auszug stammt:

Der Lohn des einfachen Arbeiters muss zumindestens das eigene Existenzminimum und das seiner Familie sichern. Ausschlaggebend für solche Überlegungen sind für Smith etwa die hohe Kindersterblichkeit oder die Lebenserwartung der unterschiedlichen sozialen Klassen.[...] Smith macht keinen Hehl aus der sozialen verantwortung, die sowohl Arbeitgeber als auch Regierung innehaben, wenn es um die Sicherstellung von Arbeit und angemessenen Löhnen geht.

Klingt net nach beindruckender Sozial-Utopie aber offensichtich war das wie aus deinem Wikipedia Zitat hervorgeht gar net so selbstverständlich.

Bemerkenswert ist auch das der Begriff Invisible Hand in diesem fetten Schmöker genau einmal vorkommt. Aber die (wirtschafts-)liberale Grundtendenz isch schon da. Was ja damals auch stark antimonarchisch/ pro republikanisch bedeutete.

Die Utopie liegt in der Maximierung des gesamtgesellschaflichen Glücks, was ja auch für die konstitution der usa eine grosse rolle gespielt hat und die ja auch im wikipedia erwähnt wird.

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kittlers feminismus

also nachdem ich fernmündlich sozusagen die auslöserin dieser spannenden debatten bin melde ich mich mal kurz zu wort:

a) ja, kittler ist total technikfixiert, das macht seine thesen provokant und gleichzeit leicht angreifbar. aus seiner denke heraus reicht tatsächlich schon die beherrschung einer maschine bzw. einer kulturtechnik um einen machtvorsprung zu begründen, was natürlich unhaltbar ist. noch dazu hat diese theorie eine schwere teleologie eingebaut: auf den seeligen urzustand der verbalen kommunikation (inkl. gesang) folgt die schriftkommunikation mit ihren disziplinierenden, verwaltenden und zentralisierenden effekten und darauf die maschinenkommunikation, die uns von den einschränkungen der schrift befreit (so ähnlich wie auch mcluhan argumentiert und durchaus in der linie mit foucault, der das ende "des menschen" ebenfalls als befreiung begreift). schreibmaschinenbeherrschung heißt dann also auch einen schritt weg von den subjektvorstellungen, die an die doppelung von schriftkommunikation und "innerlichkeit", also dem klassischen bürgerlichen, aufgeklärten, vernünftigen subjekt gekoppelt ist.

b) vom feminismus hat kittler keine ahnung (siehe das von der chefin gepostete zitat) und politisch steht er überall sonst als links. auch hier ist er in erster linie agent provocateur und er hat mit weltverbesserung rein gar nix am hut. ist eher so ein gabriele d'annunzio typ, ein konservativer avantgardist oder sowas.

c) von wegen nachfragen, ob es evidenzen davon gibt, dass frühe feministinnen oft typistinnen waren: ich glaub man kann ziemlich sicher sein, dass dies nicht der fall ist und kittler hat sich auch sicher nie auf der ebene um evidenzen bemüht, das wäre einem großdenker wie ihm viel zu "minder."

d) interessant ist aber, dass er doch einige feministische wissenschaftlerinnen dazu angeregt hat, in diese richtung weiterzugehen. ich hab das grade bei der tagung in neapel in bezug auf ingeborg bachmann gemacht (hinsichtlich der frage nach medientechnik und weiblicher autorschaft). da gibts ein paar sehr schöne szenen in "malina", in der die kombination autorin/sekretärin ganz wunderbar dekonstruiert wird.

hier eine solche mini-szene, die eine art junggesellinnen-schreib-maschine unter einschluss einer "miss freeman" persifliert:

Dear Miss Freeman: thank You very much for your letter of August 14th. Aber nun müsste ich Fräulein Jellinek diese ganz komplizierte Geschichte erzählen, und ich sage flehentlich: Das Gescheiteste wäre noch, Sie schreiben zwei Zeilen und schicken alle vier Briefe an den Dr. Richter, und ich sage nervös, weil Ivan jeden Moment anrufen wird: Aber nein, ich sage Ihnen doch schon zum zehnten Mal, er heißt Wulf und nicht Wolf, nicht wie der Wolf im Märchen, Sie können ja nachschauen, nein, Nummer 45, ich bin beinahe sicher, so schauen Sie doch nach, und dann heften Sie den Kram ab, und wir warten, bis er zurückschreibt, diese Miss Freeman hat doch nichts als eine grauenhafte Bescherung angerichtet. (Malina S. 51)

so long einstweilen.

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